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Konfliktzone Berg: Massentourismus in den Alpen

Die Natur ist schön, darauf können sich alle einigen. Nur ungünstig, dass die Anzahl von „alle“ in den vergangenen Jahren rapide angewachsen ist. Mittlerweile sind die Berge mit Touristen überfüllt. Welche Gründe hat der Anstieg und wie können Wanderbegeisterte damit umgehen, die trotzdem schöne Touren erleben wollen? Ein Überblick.

Wandern ist beliebt. Blickt man auf die Suchmetrik von Google, ist eine Antwort nach dem Warum offensichtlich: Corona. Während der Pandemie erfreute sich der Bergsport einer Aufmerksamkeit wie lange nicht mehr. Aufgrund der Reisebeschränkungen wurden damals viele an das Wandern herangeführt, und das Interesse ist geblieben. Angespornt von Social Media oder dem Verlangen nach einem erfüllenden Naturerlebnis, strömen immer mehr Leute in die Alpen. Und der Massentourismus nimmt langsam ungute Formen an. Für den aktuellen Sommer gehen nicht wenige Beobachter von einem Touristenrekord in den Alpen aus. Die Berge sind voll, die Autobahnen im Dauerstau und umso schwieriger, Parkplätze zu finden. In Südtirol sind die Straßen sogar soweit überlastet, dass sich Bergsteigerlegende Reinhold Messner zu Wort meldete und Begrenzungen sowie Shuttleservices für die wichtigsten Routen forderte.

Massentourismus: die Gründe

Der Massentourismus in den Alpen ist kein neues Phänomen. Eine zunehmende Erschließung des Alpenraums durch den Ausbau von Straßen, Hotels und vor allem Skiliften ermöglicht seit den 60er-Jahren ein starkes touristisches Wachstum, das durch die fortschreitende Globalisierung bis heute angehalten hat. Neben der Anzahl der Touristen scheint sich auch die Art des Urlaubs verändert zu haben. So gibt das bayerische Landesamt für Statistik an, dass sich die Anzahl der Gästeübernachtungen in den bayerischen Alpenlandkreisen zwar erhöht, aber die Aufenthaltsdauer der einzelnen Touristen signifikant reduziert habe – Kurzurlaube sind im Trend, was den Verkehr auf den Landesstraßen verstärkt. Abgesehen davon macht sich auch die vielbeschworene Work-Life-Balance und Reisefreudigkeit der Angehörigen jüngerer Generationen bemerkbar, denn die Anzahl der Tagesreisen sind in den vergangenen Jahren ebenfalls gestiegen.

Social Media: die Quelle des Massentourismus?

Auch Social Media hat zum veränderten Wesen des neuen Massentourismus beigetragen. Das fängt schon mit der veränderten Klientel an. Während bei den Wanderern vor 20 Jahren noch das Naturerlebnis im Vordergrund stand, sind heute viele Leute in den Bergen unterwegs, denen es hauptsächlich um schöne Fotos zu gehen scheint. Deswegen kommt es bei besonders schönen Fotospots mittlerweile zu langen Schlangen oder Belastungsspitzen, wie die Tourismus-Experten sagen würden. Das führt bei den wichtigsten Stoßzeiten ebenfalls zu restlos überfüllten Parkplätzen. Und noch schlimmer: die friedliche Bergatmosphäre, wegen der wir alle überhaupt erst zum Wandern aufgebrochen sind, geht verloren.

Wanderer vs Mountainbiker

Neben neuen Problemen verstärkt der Ansturm die schon existierenden Schwierigkeiten. So stehen Mountainbiker und Wanderer, schon die sich die Wanderwege teilen, schon seit Jahren im Clinch miteinander. Während sich erstere über das Hindernis der schwächeren Verkehrsteilnehmer beschweren, gibt es nicht wenige Wanderer, die sich von den schnellen Bikes bedroht fühlen. Eine Zwickmühle, da beide Parteien rechtlich gesehen die Bergwege gleichermaßen nutzen können. Abgesehen von dem verstärkten Besucheraufkommen wird dieser jahrealte Konflikt auch durch die technische Entwicklung angeheizt. E-Bikes ermöglichen es jetzt auch Untrainierten, in die Berge zu fahren, was in Kombination mit den Menschenmassen schnell zum Problem wird. Ebenfalls wurde in vereinzelten Gebieten überlegt, getrennte Wege für beide Parteien anzulegen. Entsprechende Pläne sind jedoch in Deutschland wie in der Schweiz wieder verworfen worden.

Lösungen: Was sollten Gemeinden tun

Ganz klar: Die Bergregionen sind auf den Tourismus angewiesen. Allerdings stellt sich die Frage, ob die aktuellen Entwickungen eine nachhaltige Tourismuswirtschaft überhaupt noch zulassen. Einige Experten gehen von weiter steigenden Zahlen für die kommenden Jahre aus. Deswegen müssen Konzepte her. Deutliche Forderungen hat der Bund Naturschutz formuliert. So müssten Anreize für den Tagestourismus, wie zusätzliche Parkplätze abgebaut werden. Um die Möglichkeit für Indiviualverkehr einzuschränken, sollten ebenfalls die Parkgebühren erhöht werden. Stattdessen sollten die Investitionen in den Öffentlichen Nahverkehr verlagert werden, um „eine echte Alternative zum Auto“ zu schaffen. Ob dies das Problem löst, oder nur verlagert, sei dahingestellt.

Lösungen Teil 2: Was (sollten) Wanderer tun?

Unwahrscheinlich, dass der Massentourismus in absehbarer Zeit zurückgefahren wird. Allerdings gibt es Maßnahmen, die jeder einzelne ergreifen kann, um ein erfülltes Bergerlebnis zu haben:

  • Früh starten oder spät losgehen – vor 6 Uhr oder nachmittags, wenn die meisten schon absteigen.
  • Wochentags statt Wochenende – Wochenende und Feiertage meiden.
  • Unbekannte Routen wählen – Neben- oder Zustiegswege statt Hauptgipfel.
  • Kleine, wenig beworbene Regionen – statt Zugspitze/Dolomiten lieber Randalpen oder Mittelgebirge.
  • Nebensaison nutzen – Herbst nach dem Almabtrieb, Frühjahr vor der Sommersaison.
  • Soziale Medien ignorieren – vermeidet Touren, die gerade auf Insta/TikTok „viral“ gehen.

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