Decathlon lockt schon seit einiger Zeit mit günstigen Preisen und hat seine Auswahl in den vergangenen Jahren auch um Wanderausrüstung ergänzt: Doch warum sind die Produkte von Decathlon so günstig? Und taugt das angebotene Zeug auch wirklich was oder sollten Wanderer lieber die Finger davon lassen?
Wer billig kauft, kauft zweimal! Mit diesem Spruch musste sich wahrscheinlich jeder schon auseinandersetzen. Besonders, wenn sich günstige Schnäppchen dann als doch nicht so langlebig entpuppen, wie erhofft. Fakt ist: Bei gewissen Dingen lohnt sich das Sparen einfach nicht. Besonders, wenn die besagten Dinge 500 Kilometer Wildnis überleben müssen. Als jemand, der schon einmal eine Fernwanderung mit undichten Stiefeln bestritten hat, bin ich daher besonders vorsichtig, was die Qualität meiner Ausrüstung angeht. Umso skeptischer war ich also, als ich vor ca. zwei Jahren von Decathlons Wanderabteilung erfuhr. Meine Skepsis schwand allerdings ein wenig, als mir mehrere Kontakte von ihren guten Erfahrungen mit der Firma berichteten.
Wieso hat Decathlon so günstige Preise?
Grund genug, einmal nachzuhaken, warum Decathlon so günstig ist, aber gleichzeitig immer wieder in den Schlagzeilen landet. Sei es die aggressive Expansionskampagne, mit der sie seit einigen Jahren versuchen, weitere Teile des hart umkämpften Sportmarktes für sich zu erobern, oder ihre umstrittene Preispolitik.
Bezüglich der günstigen Preise ihrer Artikel hört man von der Firma aus Frankreich nur äußerst vage Aussagen. Grund für die geringen Kosten seien die sogenannten Passion Brands, wie das Unternehmen erklärt. Damit sind die verschiedenen Eigenmarken von Decathlon gemeint, die sich auf ein bestimmtes Sport-Ressort spezialisiert haben. So ist bei Decathlon z.B. die Marke Quechua für Outdoorprodukte zuständig. Klar, wenn Entwicklung, Produktion und Verkauf in einer Hand liegen, lassen sich Prozesse besser optimieren und so am Ende des Tages auch viel Geld sparen. Auch die Konzeption der einzelnen Decathlon-Filialen ist sehr kostengünstig. Darüber hinaus gibt das Unternehmen laut eigenen Angaben wenig für Marketing aus.
Aber das allein reicht nicht, um die Preise zu erklären. Wie zahlreiche Hersteller der Branche produziert das Unternehmen in Niedriglohnländern. Und spätestens seit dem Skandal um die Arbeitsbedingungen in den Fabriken Decathlons in Sri Lanka ist klar, dass das teilweise auch unter prekären Bedingungen geschieht. Mit dieser kritischen Produktionskette sind die Franzosen leider nicht die Einzigen auf dem Outdoormarkt. Und obwohl ich solche Praktiken nicht unterstützen möchte, stehe ich, wie andere Konsumenten, vor einer schwierigen Wahl. Zwar gibt es durchaus einige nachhaltige Outdoorhersteller, die es an Qualität mit den kritischen Marken der Branche aufnehmen können. Allerdings schlägt sich die Nachhaltigkeit besonders im Preis nieder, weswegen sie für mich als Alternative (noch) nicht in Betracht kommen.
Decathlon-Wanderausrüstung: günstig oder Schrott?
So viel zur Lieferkette, doch taugen die Produkte etwas, die das Unternehmen verkauft? Hier kommen ein paar Erfahrungen meinerseits, die ich mit Decathlon im Laufe der Jahre sammeln konnte. Die hier geschilderten Erfahrungen sind natürlich subjektiv und stehen in keiner Weise mit Decathlon in Verbindung.
Rucksäcke
Ursprünglich wollte ich mir für meine letzte Alpentour einen MYOG – Rucksack bauen. Als sich das dann doch als etwas komplexer herausstellte, brauchte ich kurzfristig einen Ersatz. Da war der Sprung zu Decathlon nicht weit. Dort entschied ich mich nach Ausschlussverfahren für den Wanderrucksack MH500 und hatte eigentlich keine großen Erwartungen an das Teil. Wichtig war nur, dass er die 500 km von München nach Venedig durchhielt. Vielleicht war es meine geringe Erwartung an den Rucksack, aber ich bin von der Performance begeistert.

Der MH500 ist ein wahrer Preis-Leistungs-Champion und bietet mit seinen 40 Litern Fassungsvermögen genug Platz, um der Ausrüstung für eine Hüttentour Platz zu bieten. Besonders angetan bin ich von dem zentralen Reißverschluss, mit dem man leicht Zugriff auf das Hauptfach des Rucksacks bekommt, ohne zu viel herumwühlen zu müssen.
Ein ebenso praktisches Feature ist das 3D-Mesh an den Seiten und an dem vorderen Fach. Dieses Material hat eine große Dehnungsfähigkeit. Dadurch bekommt der Rucksack noch mehr Volumen. Überzeugend (und vor allem überraschend) war die Garantie. Decathlon gibt sich hier optimistisch und verkauft alle Rucksäcke seiner Passion Brand Quechua mit einer zehnjährigen Garantie. Obwohl ich noch keinerlei Schäden an meinem gefunden habe, bin ich mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob er so lange hält.
2024-Update: Mittlerweile habe ich mit dem Rucksack ca. 2.500 bis 3.000 Kilometer gemacht. Neben ein paar kleineren Rissen und Schäden, die die Funktion nicht beeinträchtigen, hält sich der Rucksack immer noch gut. Einzige Verschleißerscheinung ist die Imprägnierung des Rucksackstoffes, die sich fast aufgelöst hat.
Wirkliche Nachteile hat der MH500 nur einen. Und obwohl er sich leicht aus dem Weg räumen lässt, ist es umso lästiger, wenn er bis zur Wanderung unentdeckt bleibt. Denn wie die meisten Rucksäcke hat auch der MH500 ein integriertes Raincover. Dumm nur, dass das Teil zu klein ist, um es über den Rucksack zu bekommen, wenn er vollgepackt ist. Entweder hat die Entwicklungs-Abteilung von Decathlon versucht, Kosten zu sparen oder sie haben eine andere Vorstellung von der Belastungsgrenze des MH500 als ich. So oder so, wer plant, mit dem Rucksack wandern zu gehen, sollte ein neues Raincover kaufen. Das ist nicht optimal, aber bei dem günstigen Preis des Rucksacks (knapp 60 €) immer noch vertretbar.
Merinowolle
Was Kleidung angeht, wollte ich mich ursprünglich nicht auf Decathlon verlassen, da von der richtigen Bekleidung auf dem Trail zu viel abhängt. Wenn mich der Merinowolle-Hype nicht erreicht hätte, wäre ich wahrscheinlich bei dieser Entscheidung geblieben. Das praktische Material erfreut sich seit kurzem einer großen Beliebtheit, denn es hält im Schatten warm, kühlt in der Sonne und man kann damit eine Woche lang herumwandern, ohne dass es anfängt zu stinken. Mit diesen praktischen Eigenschaften kommt aber meistens auch ein hoher Preis einher.
Um Merinowolle dennoch mal auszuprobieren, habe ich mir kurzerhand ein günstiges Decathlon-Merinoshirt gekauft, das auf der Fernwanderung einen guten Eindruck hinterlassen hat. Mittlerweile besitze ich auch ein Merinoshirt von Icebreaker und muss sagen, dass ich zu dem Produkt von Decathlon nur marginale Unterschiede feststellen kann. So scheint das Icebreaker-Shirt feinmaschiger gearbeitet zu sein und fühlt sich flauschiger an. Abgesehen davon haben beide aber meiner Beobachtung nach dieselben Eigenschaften und sind gleichermaßen nützlich auf dem Trail.

Zelt
Mit dem folgenden Eintrag verlassen wir den praktikablen Wanderbereich, und befassen uns mit den ikonischen Wurfzelten von Decathlon. Diese haben schon vor einiger Zeit die Festivals erobert und sind dort jedes Jahr in großer Zahl anzutreffen. Für diesen Zweck habe ich mir ursprünglich auch eins besorgt, auf die Idee, damit wandern zu gehen bin ich aber nicht gekommen. Zugegeben, die Möglichkeit, das eigene Zelt innerhalb weniger Sekunden stehen zu haben, ist schon verlockend und in einem Festivalsetting auch ziemlich praktisch. Allerdings sind die Teile dafür relativ sperrig und damit in meinen Augen für eine Wandertour eher nicht geeignet.

Nichtsdestotrotz finden sich immer mal wieder Wanderer, die offensichtlich eine andere Meinung vertreten. Diese sind auf dem Wanderweg immer relativ leicht zu erkennen, da sich die voluminösen Wurfzelte nur außen an den Rucksack schnallen lassen. Zugegeben, gerade bei nebligem Wetter lässt sich ein gewisser Coolness-Faktor nicht leugnen, da das Zelt so eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Wikingerschild einnehmen kann. Allerdings hat es auch Nachteile, mit einem 70 cm-Durchmesser auf dem Rücken umherzustapfen, besonders, wenn Wind aufkommt, oder eine Strecke durchs Unterholz führt. Aus diesen Gründen findet sich mein Wurfzelt eher nicht in meinem Wandergepäck. Allerdings gibt’s auch andere Verwendungszwecke dafür. Wenn z.B. mehrere Tagestouren von einem Campingplatz aus angesteuert werden sollen, kann das Wurfzelt Gold wert sein.
Und bei dem Zeltdesign ist Decathlon wirklich ein (Achtung Wortspiel) großer Wurf gelungen. Das Zelt bietet Platz für zwei Personen, im Notfall kommen aber auch drei dort unter. Mittels Mikronetzen ist es gut gegen Insekten abgesichert. Abgesehen von dem großen Hauptraum, ist die restliche Ausstattung allerdings etwas spartanisch. Vorzelt, Belüftungsklappen usw. sucht man hier vergeblich, allerdings gibt es die Zelte mit zahlreichen weiteren Ausführungen zu erwerben. Das hier vorgestellte Modell ist in dem Bereich etwas reduziert, kostet dafür aber nur 50 € gekostet. Ein fairer Deal, wie ich finde.
Lohnt sich Decathlon für Wanderer?
Zusammengefasst habe ich mit meinen Käufen bei Decathlon durchweg gute Erfahrungen gemacht. Alle Produkte sind zwar nicht die Weltspitze der Qualität, funktionieren aber in dem angedachten Einsatzbereich sehr gut. Für Wanderer mit einem geringen Budget ist Decathlon daher auf jeden Fall einen Besuch wert. Aufgrund der problematischen Wertschöpfungskette des Unternehmens muss es jedoch jeder mit sich selbst vereinbaren, ob er sich dort für den nächsten Wandertrip eindeckt oder nicht.