Wir kennen es alle: Die Aktivitäten, die sich in der Nähe befinden, werden am seltensten ausprobiert. Nach diesem Motto dauerte es um die vier Jahre, bis es mich endlich mal auf den Harzer Hexenstieg verschlug, der buchstäblich in meiner Nachbarschaft lag. Aber besser spät als nie.
Der Harzer Hexenstieg
Doch zuerst ein paar Informationen für die, die mit dem HHS nichts anfangen können: Der Harzer Hexenstieg führt auf ca. 100 km vom niedersächsischen Osterode nach Thale. Dabei wandert man auf ehemaligen Köhlerrouten, verlassenen Skifeldern und überquert schließlich auch den höchsten Berg Norddeutschlands, den Brocken. Allerdings sind auch einige Wegvarianten verfügbar. Wer den Touristenrummel auf dem Berg lieber nicht über sich ergehen lässt, kann den Berg ab Torfhaus auch umwandern. Abgesehen davon steht harztypisch ein großes Netz an Alternativrouten zur Verfügung, wo neue Stempel für die Harzer Wandernadel gesammelt werden können.
Geschichtsbegeisterte können den Wandertrip auch mit ein bisschen Kultur verbinden. Denn der Harzer Hexenstieg führt über die ehemalige deutsch-deutsche Grenze, deren ehemaligen Einfluss man an zahlreichen Stellen in der Region nachvollziehen kann. Abgesehen davon, finden sich an den Zwischenstationen auch einige Museen, die die Geschichte des Harzes beleuchten.
Der ursprüngliche Weg hat fünf Etappen, aufgrund unzureichender Freizeit meines Wanderpartners und mir hatten wir nur vier Tage zur Verfügung. 100 km in vier Tagen sollten bei geringen Steigungen kein großes Problem darstellen. So zumindest die Theorie. Daher wich die geplante Tour von der offiziellen Version ab.
Die erste Etappe sollte nach langer Wanderabstinenz als Akklimatisierung dienen und uns auf einer kurzen Tour (12 km) von Osterode bis Buntenbock führen. Danach ging es nach Altenau (25 km), bevor die beiden längsten Etappen anstanden. Von Altenau stand eine Etappe über den Brocken nach Schierke an (24 km), von wo aus wir am letzten Tag schließlich nach Altenau aufbrechen sollten (28,6 km). Unterwegs übernachteten wir in Jugendherbergen und günstigen Hotels.
Geht das Ganze auch mit dem Zelt?
Jein. Im Nationalpark Harz ist das Zelten in freier Natur strengstens verboten. Und die entsprechenden Bußgelder sind keine Kleinigkeiten. So wird man z.B. im Land Niedersachsen 15 bis 1000 € los, wenn man beim Wildzelten erwischt wird. Erfahrungsgemäß dienen solche Beträge nur bedingt dazu, enthusiastische Outdoorfans abzuschrecken. Gut also, dass es noch eine weitere Option gibt. Im Harz verteilt befinden sich einzelne Campingplätze, die man zumindest teilweise für eine Reise auf dem Hexenstieg nutzen kann.
Harzer Hexenstieg Tag 1 – Osterode nach Buntenbock
Wandern ist Gewöhnungssache. Egal ob der angestrebte Wanderweg 100 oder 500 km lang ist, ist es sinnvoll, mit einer kurzen Etappe anzufangen. So kann der Körper langsam an die bevorstehende Belastung gewöhnt werden.
Deswegen entschieden wir uns, leicht anzufangen und eine moderate Strecke von 12 km zu wandern. Hierzu fuhren wir erst mit dem Zug zu unserem Startpunkt Osterode. Aufgrund der geringen Wegstrecke hatten wir hier die Gelegenheit, uns die Stadt ein bisschen genauer anzusehen. Nach einem Spaziergang durch die Altstadt verließen wir in nordöstlicher Richtung die Stadt, bis wir ohne Probleme auf den Weg stießen. Wie die restlichen Routen in der Region ist der Harzer Hexenstieg gut ausgeschildert. Wir mussten das Navi nur ein paar mal zu Hilfe ziehen, da sich der Weg an einigen Stellen in Alternativrouten aufteilt, deren Beschilderung ein wenig verwirrend war.
Nachdem wir aufgebrochen waren, begann es zu regnen und sollte den weiteren Tag nicht aufhören. Ungünstige Wanderbedingungen gehören bei Fernwanderwegen ja bekanntlich dazu, also packten wir unsere Regenjacken aus und wanderten weiter. Dafür eignete sich die neblige und verregnete Landschaft für ein paar gute Fotos, die mich persönlich an die Anfangsszene von Gladiator erinnern.
Auf dem Foto ist auch das Profil der ersten Tage zu erkennen. Hier durchstreiften wir dichten Wald und erkletterten ein paar leichte Steigungen. Als sich dann nach einigen Stunden die Bäume langsam lichteten und wir die ersten Seen des Harzes bemerkten, wussten wir, dass es bis Buntenbock nicht mehr weit sein konnte. Das Ziel der ersten Etappe ist der südlichste Stadtteil von Clausthal-Zellerfeld. Hier gibt es kaum Sehenswürdigkeiten, aber dafür den Prinzenteich, an dem man sich nach vollendeter Tour abkühlen kann. Aufgrund des Wetters war das auf unserer Wanderung leider keine Option, aber man kann halt nicht alles haben.
Harzer Hexenstieg Tag 2 – Buntenbock nach Altenau
Am zweiten Tag begannen die Dinge interessant zu werden. Nicht nur, dass der Regen des Vortages aufgehört hatte, am heutigen Tag sollte es gebirgiger werden. Zuerst ging es aber noch ein wenig durch die malerischen Seeregionen des Harzes. Nachdem wir von Buntenbock zurück auf dem Harzer Hexenstieg waren, folgten wir ihm östlich tiefer in den Harz und durchstreiften ein dichtes Waldgebiet, das hier und da von einigen Seen, Kanälen und Tümpeln durchzogen war. Hier entfaltete der Harz sein ganzes Potenzial. Wenn man beschreiben müsste, was den Reiz des Mittelgebirges ausmacht, dann landet man irgendwo bei malerischen Waldwegen, einzigartigen Felsformationen und Naturschauspiele, die man abseits des Wanderwegs erkunden kann. Unterwegs kreuzten wir auch einige andere Fernwanderwege der Region, die mittlerweile auch auf meiner Fernwanderwegs Bucket-List stehen.
Unsere Tagesetappe Altenau ist eine (ehemalige) Skifahrerstadt. Deswegen wurde unser Weg bald von weiten Feldern und alten Skiliften gesäumt. In Zeiten des Klimawandels ist es fraglich, ob dem Wintersport im Harz eine lange Zukunft bevorsteht, deswegen fühlte es sich ein wenig komisch an, zwischen alten Tellerliften nach Altenau abzusteigen. Im Ort selbst gibt es abgesehen von einer schönen Altstadt noch ein Schwimmbad, das man nach erledigter Wanderung besichtigen kann. Gerne auch in der Reihenfolge.
Harzer Hexenstieg Tag 3 – Altenau nach Schierke
Der dritte Tag war ein wenig anspruchsvoller als die bisherigen. Abgesehen von dem regulären Weg nach Schierke führte die Etappe (auf einem kleinen Umweg) über den Brocken. Zurück auf dem Harzer Hexenstieg wurde das Terrain ein wenig steiler und gebirgiger. Vorbei an weiteren Kanälen, die sich durch den ganzen Harz zu ziehen schienen, durchwanderten wir dichte Wälder, bis wir schließlich an den Rand von Torfhaus ankamen. In der Ferne konnten wir schon den Brocken sehen. Von hier aus ging es in östlicher Richtung weiter und der Weg führte uns mitten durch das Harzer Torfmoor. Der kommende Aufstieg war etwas überfüllt, da wir die Etappe schlauerweise auf einen Samstag gelegt hatten. Dafür zählt die Route von Torfhaus zu den schönsten Aufstiegen zum Brocken.
Nach ca. einer Stunde Wanderung trafen wir auf die Gleise der Brockenbahn, der wir den Berg hinauf folgten und schließlich am Gipfel ankamen. Durch die zahlreichen Menschen hatte die Tour hier einen gewissen Völkerwanderungscharakter, aber auch hieraus kann man lernen: Bei der nächsten Wanderung lege ich die touristischen Hotspots definitiv auf Wochentage. Nachdem wir uns auf dem Gipfel umgesehen und genügend Fotos von der Brockenbahn gemacht hatten, stiegen wir auf der anderen Seite des Berges nach Schierke ab. Hierbei durchquerten wir das sogenannte „Tal der Hexen“, das allerdings abgesehen von einem interessanten Namen und jeder Menge abgestorbenen Bäumen nicht so viel zu bieten hatte.
Wieso denn eigentlich Hexen?
Jeder, der den Harz schon einmal besucht hat, wird die Hexenverrücktheit der hiesigen Bevölkerung sicher bemerkt haben. Nicht nur, dass fast jeder komisch geformte Felsbrocken, Fluss oder Wanderweg nach den mytischen Gestalten benannt ist, auch die Souvenirshops quellen vor kleinen Filzhexen nur so über. Der Grund hierfür ist, wie so vieles, in der Geschichte der Region zu suchen. Die Sagen über Brockenhexen sind ursprünglich aus dem slawischen Raum in den Harz gekommen und wurden im 19. Jahrhundert durch Johann Wolfgang von Goethe popularisiert. In seinem Stück Faust: Eine Tragödie existieren Referenzen zum Blocksberg (dem Brocken), auf dem sich die Hexen zur Walpurgisnacht versammeln. Durch den Erfolg des Stückes wurden auch die Hexen untrennbar mit dem Brocken verbunden und sorgen auch heute noch für volle Kassen für den Tourismus der Region. Danke, Goethe.
Trotz der Schönheit der Natur hatten wir mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen, die schließlich zum Abbruch der Wanderung führen sollten. So stellte ich fest, dass meine neuen Wanderschuhe doch nicht so gut eingelaufen waren, wie ich ursprunglich gedacht hatte. Zwar war ich damit lange in ebenem Gelände unterwegs gewesen. Allerdings machten mir auf dem Harzer Hexenstieg die Anstiege Probleme und ich hatte relativ schnell eine große Blase an der Ferse. Das an sich wäre kein Problem gewesen. Allerdings hatte mein Mitwanderer ebenfalls Probleme, da er die Anforderungen ein wenig unterschätzt hatte und relativ schnell über schmerzende Füße klagte. Deswegen entschieden wir uns nach der gemeinsam, am nächsten Tag nicht wie geplant nach Thale zu wandern, sondern stattdessen die Route ins nah gelegene Wernigerode einzuschlagen.
Harzer Hexenstieg Tag 4 – Schierke nach Wernigerode
Verglichen mit den anderen Tagen war der vierte bei Weitem am unspektakulärsten. Hier legten wir 14 km zurück und waren fast durchgängig in abschüssigem Gelände unterwegs, das sich nicht mit den schönen Ausblicken des Vortages messen konnte. Trotz des eher unrühmlichen Endes der Wanderung waren wir guter Dinge. Immerhin konnten wir bei Ankunft in Wernigerode noch eine weitere Altstadtbesichtigung machen und Eis gab es auch. Die andere gute Nachricht ist, dass meine Stiefel nach drei Tagen Hexenstieg jetzt immerhin optimal eingelaufen sind. Die nächste Wanderung kann also kommen.